Fehler im Wiederladeprozess Long Range

Der Wiederladeprozess und seine Fehler

Beim Long Range Shooting sind Fehler im Wiederladen deutlicher zu erkennen, da sie auf große Zieldistanzen größere Auswirkungen haben. Folgende Fehler können beim Wiederladen der LW-Patronen auftreten:

  • Hülse hat Risse; Fehlfunktion der Waffe; Waffe kann Schaden nehmen; evtl. Ausblassen nach hinten, Verletzungen möglich
  • Verschlussabstand zu groß; Hülse reißt quer; Fehlfunktion der Waffe; Waffe kann Schaden nehmen; evtl. Ausblassen nach hinten, Verletzungen möglich
  • Fehler beim Zündhütchen setzen in inkl. falsches ZH; dadurch ändert sich der Druck in der Hülse, Grund ist unterschiedliches Anzündverhalten; u. U. zu hoher Druck; Waffe kann Schaden nehmen; V0 ändert sich
  • versprödete Hülsen führen zu sehr unterschiedlichen Ausziehwiderständen; Hülsen können reißen; Waffe kann Schaden nehmen; V0 ändert sich
  • Halskalibrierung erfolgt nicht über den gesamten Hals; Ausziehwiderstand nicht definiert genug, geringer Halt; V0 nicht gleichmäßig
  • Innendurchmesser des Hülsenhalses unterschiedlich oder falsch; Ausziehwiderstand zu hoch, niedrig oder unterschiedlich; Ergebnis sind abweichende Drücke und damit Änderung der V0
  • Wulst am inneren Hülsenhals; Folgen sind manchmal zu dicke Hälse, Klemmer
  • Hülsenlänge L3 unterschiedlich; Hülse kann klemmen; Fehlfunktion der Waffe; Ausziehwiderstand unterschiedlich; V0 ändert sich
  • Pulverart verwechselt; kann Waffensprengungen und Verletzungen bis hin zum Tod verursachen
  • Pulvermenge falsch; kann Waffensprengungen und Verletzungen bis hin zum Tod verursachen; im günstige Fall ändert sich nur der Druck und die V0
  • fehlendes Pulver; Geschoss kann durch das ZH in den Lauf gepresst werden; Nachschuss führ u. U. zur Laufsprengung mit den entsprechenden Folgen
  • vermischtes Pulver – sofort entsorgen!
  • Waage fehlerhaft oder nicht kalibriert – evtl. zu starke Ladungen: gefährlich
  • falsches Geschoss verladen (zu schwer)
  • Geschosssitz schief; keine Präzision
  • Setztiefe unterschiedlich; Druck und V0 ändern sich
  • schlechter Rundlauf des Geschosses; keine Präzision

 

Die aufgeführten Fehler sind nicht vollständig, zeigen aber eine große Bandbreite an möglichen Fehlern und teilweise können diese Fehler erhebliches Verletzungspotenzial beinhalten. Daher sollte man beim Wiederladen alle Fehler vermeiden und durch einen definierten Wiederladeprozess und Qualitätssicherungsmaßnahmen die menschliche und technische Fehlerquote gegen Null gehen lassen.

Nachfolgend nun mehrere Möglichkeiten, um Fehler im Wiederladeprozess auszumerzen:

 

Risse in der Hülse

Dieser Fehler lässt sich durch folgende Maßnahmen deutlich einschränken:

  • Kauf hochwertiger Hülsen, die eine lange Haltbarkeit haben
  • Hülse vor dem Reinigen auf Schwärzungen untersuchen
  • Hülse nach dem Entzündern gut reinigen und auf Risse untersuchen
  • Hülse nach dem Kalibrieren nochmals reinigen und auf Risse untersuchen
  • bei Anzeichen von Rissen sofort aussortieren und Waffe prüfen (siehe auch Verschlussabstand)
  • stichprobenartig Hülsen innen mit Snake-Kamera prüfen (ist unten verlinkt)

 

Verschlussabstand zu groß

Der Verschlussabstand wird bei Schulterhülsen über Boden zu Schulter, bei Randhülsen über den Rand und bei Gürtelhülsen über den Gürtel definiert. Max. Verschlussabstand sollte zur Waffe passen und kann beim Hersteller erfragt werden. Oft liegt der Verschlussabstand bei 0,1 bis 0,15 mm (manchmal 0,2 mm).

Ist der Verschlussabstand zu klein, klemmt die Hülse oder lässt sich nicht in der Kammer verschließen. Ist er zu groß, kann die Hülse reißen, mit den bekannten negativen Folgen für Waffe und Mensch.

Eine feuergeformte Hülse hat einen optimalen Verschlussabstand, da sich die Hülse beim Abschuss an die Kammerwände gelegt hat und durch die Elastizität des Messings wieder etwas kleiner wurde. Passt die Hülse nicht, sollte das untersucht werden, denn dann kann etwas nicht stimmen. Die Ursachen sollte ein Büchsenmacher mit entsprechenden Kammerlehren prüfen. Ursache können Kammer oder Hülse sein.

 

Fehler beim Zündhütchen

Da Zündhütchen oft sehr ähnlich aussehen und sich nicht unterscheiden lassen, müssen alle Geräte immer entleert und die ZH grundsätzlich ordentlich und meist zusätzlich beschriften werden, da die Originalbeschriftung oft sehr klein ausfällt. Niemals zwei Patronenarten gleichzeitig oder direkt nacheinander setzen. Unterschiedliche ZH-Verpackungen getrennt voneinander aufbewahren. Folgende Fehler können auftreten:

  • ZH zu tief gesetzt, evtl. bereits gequetscht
  • ZH zu hoch gesetzt; steht bereits über
  • ZH falsch gesetzt, z. B. quer, falsch herum (ja soll es geben)
  • falsches ZH

Flasche ZH können zu erheblichen Drucksteigerungen führen und sind daher gefährliche Fehler. Die ZH sollten immer gleich hoch gesetzt werden, also kurz unterhalb der Kante des Bodens bzw. bündig. Das lässt sich gut “erfühlen”, anderenfalls kann man z. B. bei Tischpressen Anschläge nachrüsten, selbst bauen oder gleich einstellbare ZH-Setzer kaufen.

 

Spröde Hülsen

Durch das ständige Umformen des Hülsenmaterials, vor allem im oberen Bereich, verspröden die Hülsen stark. Das kann man leicht ausprobieren, indem man ein Messingdraht mehrmals biegt, denn an der Biegestelle wird der Draht deutlich spröder (härter) und bricht nach dem soundsovieltem Male Umbiegen einfach ab. Wenn man nach jedem Umbiegen den Draht erhitzt, z. B. mit einem Sturmfeuerzeug (man muss die Rekristallisationstemperatur erreichen), dann lässt sich der Draht deutlich öfter umbiegen. Das Gleiche passiert beim Glühen der Hülsen. Diese halten deutlich länger und der Ausziehwiderstand bleibt gleich, statt immer größer zu werden, was den Druck ebenfalls erhöht und damit die Mündungsgeschwindigkeit V0. Induktives Glühen ist heutzutage die sicherste und qualitativ beste Möglichkeit, Hülsen zu glühen.

Wichtig: Hülsen dürfen nur im oberen Bereich geglüht werden, da sie ansonsten zu weich werden, was im Bodenbereich zu einem Zerbersten der Hülse führen würde mit den bekannten gefährlichen Folgen.

 

Hals nicht vollständig kalibriert

Immer wieder sieht man Halskalibrierungen, welche nur über ein kurzes Stück Hals verlaufen, statt bis zum unteren Ende des Halses. Die Kraft zum Ausziehen des Geschosses wird bestimmt durch Hülsenmaterial, Hülsenhalsdicke, Hülsenhalsdurchmesser innen, Geschossdurchmesser und die Hülsenhalslänge, die kalibriert wurde. Damit möglichst alle Faktoren gleich bleiben, muss auch dafür gesorgt werden, dass der Hülsenhals eine möglichst vollständige Halskalibrierung aufweist, denn eine größere Druckfläche hat weniger Toleranzen, als eine Kleinere. Die anderen Faktoren versucht man ebenfalls gleichmäßig zu halten durch gleiche Hülsenart, Loseinteilung und das Glühen der Hülse.

 

Innendurchmesser Hülsenhals

Wenn der Innendurchmesser des Hülsenhalses unterschiedlich ist, dann kommt es ebenfalls zu unterschiedlichen Ausziehwiderständen und damit abweichenden Drücken und damit Änderung der V0. Dies passiert, wenn man unterschiedliche Hülsenarten (andere Hersteller), Hülsenlose (unterschiedlich alt) oder Bearbeitungsprozesse verwendet.

 

Wulst am inneren Hülsenhals

Werden Hülsen immer wieder im oberen Bereich kalibriert, kann es zur Materialverschiebung kommen, so dass sich am unteren Übergang Hals-Body Material aufstaut. Vor allem, wenn ohne Innenaufweiter gearbeitet wird, kann es passieren, dass beim Geschosssetzen die Hülse in diesem Bereich aufgeweitet wird und dann klemmt. Abhilfe schafft das Abfräsen der Wulst mit dem Innendurchmesser der fertig geweiteten Halses. Wenn man nur geringe Umformungen vornimmt, ist dies aber selten der Fall. Eventuell ist es besser, seine Hülsen angepasster umzuformen. Geringe Umformungen helfen, so etwas zu vermeiden, also nur gering den Hals verengen und dann sehr gering wieder aufweiten. Dies lässt sich über Bushings und auswechselbare Aufweiter einfach einstellen.

 

Hülsenlänge L3 unterschiedlich

Ist die L3 zu groß, kann die Hülse im Lager vorn anstoßen und dann klemmen bzw. gestaucht werden. Eine Fehlfunktion der Waffe kann dadurch auftreten, denn die Hülse wird in der Waffe verformt oder die Kammer lässt sich nicht verschließen. Der Ausziehwiderstand wäre unterschiedlich und die Mündungsgeschwindigkeit V0 ändert sich ebenfalls, falls die Waffe überhaupt ordentlich funktioniert. Die L3 muss also immer korrekt eingekürzt werden auf das CIP-Maß oder das individuelle Lagermaß.

 

Pulver

Beim Pulver können die gefährlichsten Fehler gemacht werden:

  • Pulverart verwechselt
  • Pulvermenge falsch
  • fehlendes Pulver

Die Folgen sind unterschiedlich, jedoch im schlechten Fall oft lebensgefährlich. Dementsprechend sollte man sehr sehr sorgfältig bei diesen Schritten des Wiederladens sein.

Falsches Pulver lässt sich vermeiden durch:

  • Aufbewahrung nur in den originalen Behältnissen
  • grundsätzlich nur eine Patronenart gleichzeitig verladen
  • immer alles beschriften
  • Wiederladeprozess sollte Prüfungen enthalten

Eine falsche Pulvermenge und fehlendes Pulver kann vermieden werden:

  • Berechnungen gegenprüfen lassen und eine sichere Ladung (-10%) durch DEVA/Beschussamt überprüfen
  • Füllgrad LR-Patronen immer über 90 Prozent berechnen, möglichst 98/99 Prozent – nicht genau 100
  • Waage mehrmals prüfen/kalibrieren zwischendurch
  • Pulverprozess einfach und überprüfbar gestalten
  • ganze Ladebretter pulvern (50 Stück) und anschließend mit Lampe nochmals prüfen
  • Das Geschoss nicht während des Pulverns setzen!
  • ausschließlich den Vorgang Pulvern durchführen ohne Ablenkung
  • im Nachgang kann man Patronen einzeln abwiegen (Tare benutzen); fehlendes Pulver erkennbar

 

Immer wieder passiert es, dass man eine Restmenge Pulver in die falsche Pulverdose kippt. Dies muss unbedingt vermieden werden, da sehr gefährlich. Das Pulver unbedingt sofort komplett entsorgen! Wenn nur immer eine Patronenart geladen wird und genau diese Utensilien aus dem Ladeschrank geholt werden, kann es nicht passieren. Pulverladen nicht unterbrechen!

Fehler in der Pulvermenge entstehen immer wieder durch:

  • falsch kalibrierte Waagen, elektronisch oder mechanisch
  • fehlerhafte Pulverdosierer, egal ob elektronisch oder mechanisch

Durch Kalibriergewichte oder genau angepasste Füllgewichte und ständiges Prüfen zwischendurch (z. B. alle 20 Patronen) kann Abhilfe geschaffen werden. Der Wiederladeprozess muss ein Kalibrieren der Waage vorsehen.

 

Geschoss

Wer Geschosse mit gleichem Durchmesser für verschiedene Waffen oder Ladungen benötigt, dabei aber unterschiedliche Gewichte nutz, kann einen sehr gefährlichen Fehler machen. Die schweren Geschosse werden auf eine Hülse für die leichten Geschosse gesetzt. Der Druck ist anschließend deutlich zu hoch und evtl. gefährlich mit den bekannten Folgen. Abhilfe schafft eine ordentlicher Umgang, ähnlich dem des Pulvers und eine Gewichtskontrolle vor dem Verladen. Nur ein einziges Geschoss, welches in der falschen Verpackung landet, kann schon dazu führen. Prüfen lässt sich dies durch die Messung von größeren Gruppen von Geschossen, z. B. 20 Stück – die Abweichung muss sehr gering sein.

 

Geschosssitz

Ein schief sitzendes Geschoss führt zu schlechter Präzision. Abhilfe schaffen geführte Geschosssetzmatrizen. Eine unterschiedliche Setztiefe hat auch unterschiedliche Drücke als Folge – tiefer gesetzte Geschosse können starke Druckerhöhungen hervorrufen, welche gefährlich werden können. Unterschiedliche Geschosssetztiefen führen im günstigen Fall zu unterschiedlichen Mündungsgeschwindigkeiten. Man kann den Rundlauf eines Geschosses messen und so die unrund laufenden Geschosse aussortieren (1-2/1000 Zoll Toleranz) und für Einschussaufgaben oder das Training verwenden. Ein Zurückbiegen des Geschosses ist Unfug und verbessert nicht die ursprüngliche Lage des Geschosses im Sitz.

Ein zu hoch gesetztes Geschoss kann an die Züge anstoßen und sehr hohe Drücke verursachen!

 

Hier die Beschriftungsvorlage aus dem Video:

PDF-Datei

 

 

Das Video zum Blogeintrag

Ich habe zu diesem Eintrag auch ein Video auf meinem YT-Kanal hochgeladen:

 

Und hier das Auftakt-Video zur neuen Wiederladereihe II:

 

 

Hier der Link zu meinem neuen Long Range Buch:

Welche Ausrüstung benutze ich? Hier eine Aufstellung.

2 Antworten

  1. Christoph sagt:

    Den Wiederladeprozess kann man nicht oft genug durchgehen und üben. Alles sollte genaustens auf seine Funktion geprüft werden. Ich empfehle auch auf rissfreie Hülsen zu achten. Auch vermischtes Pulver sollte unbedingt entsorgt werden.

    • vesab sagt:

      Da gebe ich dir recht!
      Vermischtes Pulver darf gar nicht erst entstehen – da ist dann was grundsätzlich schief gelaufen…
      Grüße Tom

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